Fastnacht in Heidelberg

„Geordnetem Karneval Einzug verschaffen“ 175 Jahre Fastnacht in Heidelberg. 1998 hatte Thomas Barth mit RNZ Redakteur Karl-Horst Möhl in Archiven gestöbert. Die RNZ veröffentlichte die sehr zeitaufwendige Arbeit anläßlich des 150. Jubiläums in ihrem "Blick in die Stadtteile"

175 Jahre organisterte Fastnacht in Heidelberg
175 Jahre Fastnachtszug 1848 - 2023
175 Jahre Tradition 
und Brauchtum 

„Geordnetem Karneval Einzug verschaffen“ 175 Jahre Fastnacht in Heidelberg- Im Archiv gestöbert

Ein Fünkchen von Narretei steckt in jedem Menschen und wer sich auf die Suche nach den Wurzeln der Fastnacht macht, landet in grauer Vorzeit. Über den Göttermythos der Griechen und Römer finden wir die christliche Auseinandersetzung mit den „heidnischen Unsitten". Der Beginn des 40tägigen Fastens wurde im vierten Jahrhundert auf den Aschermittwoch festgelegt und da ist es verständlich, dass man vorher besonders gern aß und trank. Gerade weil die Fastnacht oft den Zorn der Kirche oder weltlicher Behörden herausforderte, gibt es manch frühes Zeugnis, Nach dem derben Treiben im Mittelalter zog der „ Carneval“ später auch bei Hofe ein (Liselotte von der Pfalz berichtete auch davon) und so sind wir auch schon bei dem  in Tirol gebürtigen Zwerg Klemens, besser bekannt als“ Perkeo", den Kurfürst Karl Phillip um 1720 als  Hofnarr mitbrachte.

Aus der höfischen Art Karneval zu feiern, haben sich bis heute Prunk und Flitter erhalten. Aufklärung und Französische Revolution gaben der Fastnacht die „Narrenfreiheit“, aus der närrischen Rede wurde die politische Rede als „Ventil“. Erste parlamentarische Strukturen wurden begründet, die 30er und40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts galten als die Gründerjahre der ersten Karnevalsvereine in den rheinischen Hochburgen. Bereits 1816 wird in Mannheim von Maskenbällen berichtet. Goethe führte eine Korrespondenz mit Köllner Karnevalisten und die „ Zugordnung „ in Speyer geht auf das Jahr 1839 zurück. 18,39 gibt es Nachweise über die ersten großen Maskenzüge in Mannheim, die von der „Walhalla“ und dem Narrenclub „ Räuberhöhle“ aufgezogen werden.1840 wird der Karnevalverein in Neustadt gegründet, der ab da eine lückenlose Vereinsgeschichte nachweisen kann. In Speyer folgt 1841 die Gründung des SCV und 1843 wird in Landau die „Gesellschaft der Lebensfrohen“ gegründet. Bruchsal kennt ab 1845 den „Kappen-Narren Verein.

Drei Jahre später taucht auch Heidelberg in der Chronik auf.“150 Jahre Heidelberger Fastnacht “steht dabei auf dem knapp 200 Gramm schweren, mit funkelnden Steinen besetzten Orden des „ Heidelberger Karneval Komitees“ (HKK), der in diesem Jahr an die Gründung der „ Narrhalla“, der ersten Heidelberger Karnevalsgesellschaft am 4. Januar 1848 erinnert. Sie soll auch bereits am 15.Februar mit Klepper-und Ranzengarde einen Festzug durch die Stadt organisiert haben, der zum „Hausacker“ führte. In diesen Tagen finden mit „Ifflands musikalischer Unterhaltung und Schellengerassel Versammlungen der „Carnevalsgesellschaft“ statt, die einen historischen Zug veranstalten will. Thomas Barth, Sitzungspräsident der Perkeo-Gesellschaft und Vorsitzender des HKK im Jubiläumsjahr, entdeckte das Dokument, das sich in Privatbesitz befindet. Auf dem etwa DIN A 4 großen Programm Ist vom Carnevalfest zu Heidelberg, den 6 .März 1848 die Rede, wobei der Zug den Einzug Friedrich des Siegreichen in seine Residenz Heidelberg nach der Schlacht bei Seckenheim am 30. Juni 1462 darstellen sollte. Der Weg des Zuges führte durch die Altstadt zum Schloß wo Waffengänge und ein Gastmahl auf dem Programm standen.

 

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Berichtet wird nicht über diesen Zug, bei den revolutionären politischen Ereignissen  in diesen Tagen nicht verwunderlich ist. Nach Herbert Derwein trafen sich am 5.März  (Rosenmontag!) im  Badischen Hof (Heute Heidelberger Volksbank, Ecke Hauptstraße/Schiffgasse) 51 liberale Politiker aus ganz Deutschland, darunter auch die  Radikalen Friedrich Hecker und Gustav Struve um nach Bekanntwerden der Ereignisse der Februarrevolution über das weitere politische, Vorgehen zu beraten. Diese Versammlung gilt heute als der entscheidende Markstein auf dem Weg zur Paulskirchenversammlung, nach Derwein der "gewichtigste Tag Heidelbergs im 19. Jahrhundert ".

Dennoch hatten sich die Heidelberger nicht von ihrer Fastnacht abbringen lassen, unabhängig  von den Vormärz-Ereignissen lud der „Bürgerverein" in den Saal des Prinz Max ein, wo auch die „Eintracht" einen Ball veranstaltete. „Das mit den Karten ausgegebene Programm enthält die weiteren Anordnungen, heißt es in einer Anzeige der  " Harmonie-Gesellschaft", die eine "genaue

Kartenkontrolle " ankündigt. Hinweise auf Fastnachtszüge  finden sich die nächsten Jahre nicht. Von der Narrhalla Gesellschaft besitzt das Stadtarchiv noch Liederbücher aus den Jahren 1860 und 1861. In der „Narrhallaise“ heißt es:

Wohl auf Kameraden, die Kappe zur Hand,
In das Lager des Frohsinns gezogen,
Die Zöpfe, die Langeweil an die Wand,
so bleibt euch die Narrheit gewogen.


Anfang der 60er Jahre löst sich die Narrhalla Gesellschaft auf und wird von der „Messer-Gesellschaft " abgelöst, die aber auch nur wenige Jahre besteht. Von einem wunderschönen Fastnachtszug wird im Februar 1860 berichtet, leider nicht, wer ihn veranstaltet hat, vermutlich aber die Narrhalla – GeseIIschaft.

Nach Klepper- Ranzengarde und Tambourmajor, kamen Prinz und Prinzessin   Karneval im sechsspännigen Wagen, es folgten Ritter und ein Motivwagen, auf dem das  deutsche "Muckerthum“ angeprangert wird. Tänzer und Musiker und eine chinesische Gruppe werden gelobt. Oft ist von Zigeunergruppen zu lesen, die stets das Zuqende bilden, Dazu wünschte der Chronist " daß die Polizei dem Diebsgesindel ein wenig auf die Finger geklopft und es mehr Zucht und Ordnung gelehrt hätte". Den Kollegen muß es schwer mitgenommen haben, denn am Aschermittwoch ist folgendes zu lesen: „Die Freuden des Faschings liegen hinter uns und wir sehen auf die letzten Tage desselben wieauf einen bunten Traum zurück. Das alte Aschenmännlein ist anmarschiert, und wurde in mancher Kammer Zeuge eines schweren Kopfes und eines leichten Geldbeutels. Zur weiteren Berichterstattung begab er sich ins  Speisezelt der Ranzengarde und vernahm, "daß ein loses Vögelein in der Nacht den Fleischvorrat gemaust hat".

Für die Bemerkung über die Zigeuner muß der Chronist jener Tage einen Rüffel erhalten haben, der ihn zu folgendem Schluß veranlaßte : "Wenn wir der Polizei mehr Aufmerksamkeit auf die Geschicklichkeit dieser Gesellschaft empfehlen , so konnte es nicht entfernt in unserer Absicht liegen, damit der uns bekannten Ehrenhaftigkeit der Zigeunermitglieder zu nahe  treten; wir wollten nur andeuten, daß die Scherze hier und da etwas unangenehm berührten und zu weit gingen.

1869 wird die „1. Heidelberger Karnevalsgesellschaft Fröhliche Pfälzer“ gegründet, die ebenfalls zu Bällen, Kappenabenden und anderem närrischen Kurzweil einladen. 1865, als Carl Benz in der Nachbarstadt Mannheim gerade das Auto erfunden hat, klingt der Bericht "aus Veranlassung des Faschings" etwas kritischer: Einzelne Masken ließen sich blicken, ein paar Wagen mit Maskengruppen erschienen und eine große Anzahl von Droschken mit verkleideten und nicht verkleideten Insassen bewegte sich die Hauptstraße herauf und herunter. Wer aber irgendetwas  Zusammenhängendes oder Originelles erwartet hatte, wurde enttäuscht. Eine Ausnahme in letzterer Beziehung könnte vielleicht ein Fackelzug machen, der sich mittags durch einen Teil der Hauptstraße bewegte.

Besser hat dem Kollegen die mit "Geschick und Geschmack arrangierte Vorstellung" im Theater gefallen, „besonders das im fünften Bilde durch 32 Knaben ausgeführte Exercitium von Rübezahls Garde machte einen schneidigen Eindruck. In den Jahren darauf häufen sich die Beschwerden über das wüste Treiben der Studenten in der Fastnachtszeit, so daß die Polizei eingreifen mußte und die Zeitungen sich darüber empörten. Die Studenten hielten sich an den Rockzipfeln und liefen im Gänsemarsch durch die Stadt. Am 7. Februar 1894 ist sogar folgendes zu lesen: In unserem Heidelberg ist es indessen kein allzu großer Verlust, wenn der Carneval, oder das was man hier zu nennen pflegt und das sich meist als ein Gemisch von plumper Geschmacklosigkeit, viel Behagen sehr genügsamer Leute und unendlich wenig Witz darstellt, von der Straße verschwindet".

 

„Unter dem Banner von Prinz Karneval“ 1905 gab es schon eine „ Frauen-Emanzipations-und Demonstrationssitzung“

Indes herrschte in den Sälen bei der „Liedertafel", der „Constantia" und der "Eintracht"  ausgelassene Stimmung bis in den frühen Morgen, (hübsche und geschmackvolle Masken) Ein besonderes Lob galt dem katholischen Männergesangverein „Constantia" für seine fastnachtlichen Theaterauffüh- rungen im dichtbesetzten Bürgerkasino.  „Auch gestern vereinigten sich wieder einige Gesellschaften unter dem Banner des Prinzen Carneval", berichtet das Heidelberger Tageblatt (Generalanzeiger) im Februar 1896. Aufgeführt werden der „Militärverein", der „Zitherverein", die " Württembergia", der „Marine-Verein " und viele mehr. Auf den Straßen und in den Wirtshäusern wurde getanzt, gesungen , getutet und gerasselt. Dazu wurden nach Kräften Unmassen von Papierschlangen und farbige Papier-schnitzel geworfen. Beschrieben wird im weiteren auch die Wahl des Steingassen Bürgermeisters.

1897 wird erstmals zu „Radau-Konzerten“ eingeladen, von denen ein Jahr später schon als  " übliche Radaumusik "die Rede ist.  Besonders in Hauptstraße wogte (am Fastnachtsdienstag) eine dicht gedrängte Menschenmenge auf und ab. Die überwiegende Menge gefiel sich in  Lumpenmasken, erfährt der Leser. Um die Jahrhundertwende waren die Lokalglossen des Tageblatts in Mundart geschrieben und von „Perkeo" unterzeichnet. So schrieb er am 19, Februar 1899:  Ja, an Witz un gute Eifäll fehlts in Heidelberg nit !Un grad deswege is es zu bedauere, daß mir hier nitt wie deß in annere Schdädt gschieht, wenigschdens emool de Versuch macht, 'nwerklich scheene 'Fastnachtszug zu Schdand zu bringe, in dem aach Sinn un Witz zur Geldung kumme. Wer sich do an die Schbidz schdellt, erwerbt sich e Verdiescht um unsere Schdadt, die for so e Fescht geeignet is, wie wenig annere. Wann deß zu Schdand käm, dhäd ich werklich drotz mein hohe Alter un meiner Würd als kurferschtlicher Kellermeeschter aach noch mit«

 

1906 Umzug ausschnitt

 

Es kommt bald darauf nicht nur zur Gründung der "Großen Karnevalgesellschaft Heidelberg- Neuenheim" sie tritt auch 1901 mit einem großen Fastnachtszug an die Öffentlichkeit und stellt unter anderem mit Panzern, Geschützen und Kriegsgefangenen den südafrikanischen Krieg dar, Anschließend die trieb die Narrheit in den  besuchtesten Wirtschaften ihre tollsten  Bühnen. Wie es im einzelnen zuging sei einfach unbeschreiblich. 1902 umfaßt der Zug  bereits 30 Gruppen, zog von Neuenheim in die Stadt und kehrte nach drei Stunden zurück. Auch hier ist von Motivwagen die Rede, wo beispielsweise die „Bahnhofsfrage " glosiert wird, Auch ein Jahr später begrüßt es die Zeitung, daß die Karnevalgesellschaft Neuenheim „einem geordneten Karneval hier Einzug zu verschaffen bemüht ist und den bisherigen zügellosen Faschingstreiben die Richtung gegeben hat". Ab 1905 wechseln sich die " Neuenheimer "und die „Pfälzer" mit der Ausrichtung des Zuges ab, der ein großer Erfolg wird. „Der Sinn fürs dekorativ wirkende und für humoristische Persiflage  kamen  in gleicher Weise zu ihrem Recht. Motive waren „Endlich allein im städtischen Lesesaal", „Wehklagen über die Hundesteuer ", Kaffee- und Bieraufschlag" sowie der Dreck in der Bergheimer Straße. Im gleichen Jahr findet man im Anzeigenteil eine Einladung zur „Ersten großen Frauen-Emanzipations-Demonstrations-Sitzung." Dabei hatten die Damen und Herren im" Tannhäuser" Hauben zu tragen.

 

1906 Perkeowagen

 

"Fleischnot " Laubversteigerung", Weinpanscherei und die Tragödie vom Sparkassenbuch'* waren 1906 einige der Motive eines sehr ansehnlichen Zuges. 1907 kam es zu Zerwürfnissen unter Heidelbergs  Narren. Aktive der beiden bestehenden Vereine gründen die Perkeo-Gesellschaft. Es  folgt ein regelrechter „Anzeigenkrieg" in den Zeitungen. Dennoch erfreut sich die Gesellschaft wachsender Beliebtheit, Bälle und  Sitzungen werden wegen der großen Nachfrage wiederholt.

1913 findet in Handschuhsheim auch ein Fastnachtszug statt, mit originellen Umzugswagen. Da wurde die Politik auf den Arm genommen und mancher brave Bürger durch den Kakao gezogen. An den Kragen ging es  auch den „Bohrern", die auf dem Neckarvorland suchten und die Thermalquelle dann auf der anderen Seite fanden. Persifliert wurden die „Hasenschläger", ein verschwiegener „Verein " der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Handschuhsheim von einer Hasenplage zu befreien. Nach dem Zug gab es natürlich Hasenragout aus einer Gulaschkanone. Nach dem Krieg hatte sich der Verein  wieder aufgelöst, wie überhaupt die Fastnachtsveranstaltungen 1916 ganz aufhörten.

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Ab 1919 war der Karneval auf der Straße verboten, eine Lockerung gab es 1924 und 1925 ging es bürgerlich weiter mit der Fastnacht. Die Neuenheimer veranstalteten im August zwischen Wasserschachtel und "Schwarzem Schiff" dreitägige Strandfeste, deren Erlös den Fastnachtszügen zugute kommen sollte. Es finden Kappenausfahrten und Fastnachtszüge statt, was aber 1929 wegen der Weltwirtschaftskrise wieder eingestellt wurde. Auch wenn in den Jahren 1930 bis 1933 von einer „schöpferischen Pause"  gesprochen wird, sind politische Reden bald unerwünscht. 1935 lösen sich die " Fröhlichen Pfälzer" auf. Bald wird Frohsinn befohlen, der Fastnachtsdienstag zu einem „Tag der närrischen Volksgemeinschaft" gemacht. Die Fastnacht sollte zu einem innerdeutschen Fremdenverkehrsfaktor werden. Unter diesem Aspekt  muß auch die Karnevalseröffnung am 9.Januar 1938 im Heidelberger Schloß gesehen werden, als als Perkeo aus der Hand von Verkehrsminister Meinecke unter Donnerschlägen den Stadtschlüssel erhielt. Am 1. März gab es einen bunten Fastnachtszug, zu dem  viele Besucher aus den umliegenden Ortschaften kamen, Die Perkeo - Gesellschaft nahm 1939 bei Umzügen in Krefeld teil. Karl Klebes, Karl-Hans Münnich und Karl Dietrich besuchten sogar die deutsche Kolonie in London. Im Anschluß daran sollte der Fastnachtsumzug stattfinden, doch die Behörden versagten die Unterstützung. Die „roten Radler von Neuenheim improvisierten daraufhin und zogen mit drei Wagen durch die Hauptstraße mit dem Plakat „Perkeos Umzug muß wegen Londoner Nebel ausfallen", Sie hatten natürlich die Lacher auf ihrer Seite. Danach gab es für einige Jahre nicht mehr viel zu lachen ….

Wer nur Trübsal bläst im Leben,
Ach, der ist ein armer Thor 
Glücklich aber, wem gegeben
Pfälzer Frohsinn und Humor.

Diese Zeilen ,hatte sieh die Perkeo-Gesellschaft bei der Wiedergründung 1948 aufs Panier geschrieben und den Neubeginn gewagt, Unter dem Motto „Elf Mann machen eine Stadt verrückt“, veranstalteten die Wiedergründer 1949 eine Kappenausfahrt. Mit von der Partie: zehn Reiter in Kostümen, drei Wagen der Gesellschaft, ein Wagen des Stadttheaters und Fanfarenbläser. Nun ist es aber nicht so daß jetzt die Umzüge automatisch immer schöner, größer und bunter wurden. Um jeden Fastnachtszug mußte neu gerungen werden. In der Nachkriegszeit waren es gerade die Stadtteile Pfaffengrund und Kirchheim, die Umzüge auf die Beine stellten.                       

 


175JahreFZ


 

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